Recital in Schleswig-Holstein Festival

2005-08-27 / Kieler Nachrichten / Christian Strehk

Klavierabend mit Angela Hewitt: Die Fee auf dem Heuboden

Etwas jenseits von Bad Segeberg in malerisch weichgeschwungenen Hügeln, zwischen ehrwürdig hohen Bäumen und weiten Feldern liegt das Gut Pronstorf, das die dort heimischen Graf und Gräfin Rantzau inzwischen zu der vielleicht bestgeeigneten Ambiente-Spielstätte des Schleswig-Holstein Musik Festival aufgeputzt haben.
Auf dem riesigen, nur zur Hälfte mit 500 Plätzen bestuhlten Heuboden des Kuhstalls, eine Art hölzerne Hallenkirche des guten Tons, war am Donnerstag nach Gudrun Landgrebe und einem Musikfest auf dem Lande die 47-jährige Pianistin Angela Hewitt geladen. Als Kanadierin muss sie, zumal bei ausgeprägtem Hang zu Polyphonie, nahe liegende Gedanken an ihren großen Landsmann auf kleinem Stuhl, Glenn Gould, aushalten. Und das kann sie auch. Erstens, weil sie real anwesend spielt und sich nicht nur via Tonträger mitteilt. Und zweitens, weil sie sich ganz anders eigenständig profiliert.
Hewitts Bach-Spiel fesselte in feenhafter Eleganz. Mehr noch: Ihre keineswegs alltägliche Auswahl aus dem Wohltemperierten Klavier Band I (die Präludien und Fugen As-Dur und es-Moll) korrespondierte dabei überzeugend mit dem Mut zu individueller Nachdenklichkeit und überraschender Schattierung der Kontraste und Verläufe. Solch glasklare Durchdringung und Belebung der schwierigen Materie rückte Beethovens auch nicht eben häufig gespielte Es-Dur-Sonate op. 7 erst recht beziehungsreich in Bach-Nähe. Im stillen Kontrapunktieren ist Hewitt auch hier zu Hause, auch wenn die Forte-Gegensätze ein wenig hart daherkamen.

Nach der Pause gab es dann auch in diesem Punkt noch einen Qualitätsruck. Schon Felix Mendelssohns Bach-Hommage in den Präludien und Fugen e-Moll und f-Moll aus Opus 35 bezauberten mit feinsten Farbschattierungen und einem wunderbar andächtig eingeblendeten Choral. Maurice Ravels Tombeau de Couperin wurde dann zum glitzernden pianistischen Feuerwerk, in dem die barocke Grundlage stets ehrenvoll durchschimmerte.

Allein die mit begeisterten Bravi herbeigerufenen Zugaben hätten den Weg aufs Land schon gelohnt: Chopins “Regentropfen”-Prélude, sprühfein, und aus Bachs Partita BWV 825, zauberhaft.