Schumann recital in Bensheim

2007-03-27 / Bergsträsser Anzeige / Karin Pfeifer

Von der Magie des Klangs

KUNSTFREUNDE: Glänzendes Debüt der Pianistin Angela Hewitt

Viele Musikliebhaber kamen am Samstag ins Parktheater, um die heute in London lebende Pianistin Angela Hewitt zu hören. Angekündigt war ein reines Schumann-Programm mit den Kinderszenen op. 15, der Humoreske B-Dur op. 20 und der ersten Klaviersonate fis-Moll op. 11.

Angela Hewitt wurde in Ottawa geboren, wo ihr Vater als Organist wirkte. Schon früh erkannten die Eltern das außergewöhnliche Talent ihrer Tochter, die deshalb bereits mit drei Jahren ihren ersten Klavierunterricht erhielt. Im Alter von zehn Jahren folgte das Konzert-Debüt. Diese Wunderkind-Karriere setzte sich zielgerichtet fort, so dass Angela Hewitt heute zu den bedeutendsten Pianistinnen weltweit zählt.

Feinsinniges Empfinden

Robert Schumanns Kinderszenen op. 15 bestehen aus 13 charakteristischen kleinen Stücken, die im Grunde für Erwachsene geschrieben wurden. Der Komponist selbst spricht hierbei von der Rückspiegelung eines Älteren für Ältere”. Die einzelnen Überschriften wurden von Schumann erst nachträglich hinzugefügt, aber sie treffen die verschiedenen Stimmungen sehr genau. Auch wenn es sich somit nicht um die Gestaltung eines bestimmten Ablaufs eines Geschehens handelt, man also nicht von Programm-Musik im eigentlichen Sinne sprechen kann, so spielt das Erzählen bei der Wiedergabe doch eine wichtige Rolle. dies trifft vor allem auf die schnellen Teile zu.

Angela Hewitt entwickelte bei ihrer Wiedergabe viel feinsinniges Empfinden für den Klang. Ihr Spiel ist bestimmt, auch von den Tempi her sehr genau gefasst, aber sie verzichtet auf jede Übertreibung. Die Tongebung bleibt schlank, durchsichtig. Dies gilt auch bei dem Stück “Wichtige Begebenheit”, das als einziges bis auf den verklingenden Schluss den Fortebereich vorschreibt. Die Stimmungsbilder aus dem Leisen heraus zu gestalten und dabei die Kontraste aufzuzeigen, ist ihre ganz große Stärke. Auch hierbei ist ihr wichtig, Gefühle auszudrücken, sogar auszukosten, ohne jedoch die Grenze zum Überschwänglichen zu überschreiten. Eine fast schon unwirkliche Ruhe ging von der “Träumerei” aus, die in der Mitte dieser Kinderszenen steht.
Es folgte die umfangreiche Humoreske B-Dur op. 20. Hierin setzt sich der Komponist mit dem von ihm erfundenen Gegensatzpaar Eusebius und Florestan auseinander. Es handelt sich gewissermaßen um die beiden Pole seiner eigenen Persönlichkeit. Eusebius wirkt ruhig und bodenständig, während Florestan extrovertiert und stürmisch ist. Diese ständige innere Auseinandersetzung wird in der Musik präsent.

Es ist die Zeit des verzweifelten Ringens um Clara Wieck, seine spätere Frau, gegen den erbitterten Widerstand ihres Vaters. Um sein Ziel zu erreichen, ist Schumann sogar bereit, der Forderung Wiecks nachzukommen, nämlich Leipzig zu verlassen und nach Wien zu gehen. Während seines vorübergehenden Aufenthalts in dieser Stadt entsteht auch diese Humoreske im Jahre 1839.

In ihrer Interpretation gelang es Angela Hewitt, die Zerrissenheit zwischen stürmischem Aufbegehren und innerem Glücksgefühl mit allen Zwischenwerten zu vermitteln. Ihre technische Brillanz ist bewundernswert. Sie fesselte die Zuhörer, nahm sie unmittelbar gefangen, erzählte auf ihrem Instrument. Auch hier war ihr jedes Pathos fremd. Sie verfügt über einen erstaunlichen Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten, die sie geschickt einzusetzen vermochte.

Eusebius und Florestan

Den Abschluss dieses bemerkenswerten Konzertabends bildete Robert Schumanns Klaviersonate fis-Moll op. 11. Sie ist 1835 entstanden und der damals 16-jährigen Clara Wieck gewidmet. Und auch hier spielen die unterschiedlichen Charakterzüge von Eusebius und Florestan inhaltlich eine entscheidende Rolle. Und wieder ergaben sich bei dieser Interpretation die gleichen Beobachtungen wie im ersten Teil des Konzerts. Angela Hewitt geriet nie in Gefahr des Sich-Verlierens, die klaren Strukturen blieben bestimmend. Innerhalb dieses Rahmens leuchtete sie allerdings bis an die Grenzen das kontrastreiche Geschehen aus. Und wieder bestach die klangliche Qualität dieser Wiedergabe.

Für diese großartige Leistung gab es viel Beifall. Es ist bezeichnend für Angela Hewitt, dass sie keine virtuose Zugabe wählte, sondern sich ganz zarter Lyrik verschrieb. So wurde die Liedbearbeitung “Morgen wird die Sonne wieder scheinen” zugleich eine Prophezeiung, die sich erfreulicherweise verwirklichen sollte.”